Eigentlich haben wir kein Familienbett…
Heute war mal wieder einer dieser anstrengenden Abende. Beide Mäuse waren schon am Nachmittag hundemüde und eigentlich war ich deshalb zuversichtlich, beide früh ins eigene Bettchen zu bekommen. Meine To-Do-Liste für den Abend habe ich mir bereits ausgedacht- sie umfasst neben einem Entspannungsbad noch einen neuen Blogbeitrag, ein Glas Schorle mit meinem Liebsten und eine Herz-Schmerz-Serie auf der Couch. Herrlich.
Erstens kommt es anders…..
…und zweitens als man denkt. Meine Prinzessinnen sind pünktlich zur Schlafenszeit hell wach und aufgedreht. An Schlaf ist bei der Großen nicht im Geringsten zu denken….die abendliche Verzögerungstaktik-Parade beginnt mit „ Ich muss doch noch mal Pipi“ über „ Ich möchte doch ein anderes Hörspiel“ und „ Ich brauche unbedingt den Teddy mit der Latzhose zum Einschlafen, den suche ich schon soooo lange, bitte bitte“ bis hin zu „ Gibst du mir bitte noch was zu trinken?“ um dann wieder von vorne mit dem Pipimachen anzufangen. Zwischendurch ist Lütti natürlich auch immer wieder mit von der Partie und wacht bei jeder neuen Forderung ihrer großen Schwester lauthals schreiend auf. Uah, anstrengend. Die Nerven liegen brach, der Traum vom Schaumbad zerplatzt wie eine Seifenblase.
„Mama können wir noch ein bisschen kuscheln? Irgendwie hatte ich heute viel zu wenig von dir“
Gerade will ich richtig sauer werden, als die Große diesen Satz raushaut. Und mein genervtes, gestresst in der Brust polterndes Herz zerfliesst zu Butter. „Kannst du wirklich nicht einschlafen?“ frage ich, und meine vorher noch recht schrille Stimme klingt schon deutlich weicher. Meine Tochter schüttelt den Kopf, die Mundwinkel gehen nach unten, die reibt sich die Äuglein und kuschelt ihren warmen kleinen Schlafanzugkörper mit den nackten Füßchen an mich. Oha- doch müde?
Irgendwie hatte sie heute viel zu wenig von mir? Das ist doch Quatsch, oder? Nagut, heute morgen waren wir ziemlich spät dran und sind aus dem Bett praktisch an den Frühstückstisch und dann in den Kindergarten gehetzt. Und ja, beim Abholen bin ich nicht zur ersten, sondern erst zur dritten Abholzeit da gewesen. Aber die Große war doch mit ihren Freunden so schön ins Spiel versunken, als ich direkt von der Arbeit dort angeflitzt kam. Okay, dann waren wir einkaufen, vielleicht auch länger als gedacht, weil es im Supermarkt so voll war. Vielleicht nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung für Baby und Kleinkind. Zu Hause haben wir noch ein bisschen im Garten gespielt. Haben wir das? Ich musste dort noch ein paar Telefonate und Mails für den Job erledigen während die Kids im Sandkasten sitzen. Eine Maschine Wäsche fertig gemacht, den Wohnzimmerboden gesaugt, Abendessen gekocht habe ich während dessen auch noch … Jaja, ich war zumindest den ganzen Spät-Nachmittag mit den Kindern zu Hause.
„Irgendwie hatte ich heute viel zu wenig von dir“
Ach Mist, mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Ich war zwar zu Hause, aber irgendwie auch wieder nicht. Zumindest nicht mit dem Kopf. Und nur mit dem halben Herzen. Natürlich muss ich arbeiten und alle Dinge im Familienalltag regeln. Aber ich habe irgendwo unterwegs heute definitiv zu wenig emotionale Anwesenheit und aufmerksame Präsenz für meine Liebsten gehabt.
Und jetzt steht dieser winzige Mensch mit den strubbeligen Haaren und dem Mickeymaus-Schlafanzug vor mir und braucht mich. Wie lange wird sie Mama noch so brauchen? Und apropros „brauchen“- wenn kleine Menschen müde werden, laufen in ihren Gehirnen die uralten, noch aus der Frühgeschichte der Menschheit stammenden Programme ab. Müde Steinzeitbabys waren alleine und schutzlos den Gefahren der Umwelt ausgeliefert. Daher schüttet unsere Hypophyse bei Müdigkeit das Bindungshormon aus. Das ist der Grund dafür, dass Kinder in diesem Zustand unbedingt die Nähe der Bezugspersonen brauchen.
Davon mal abgesehen ganz rational betrachtet: Wie oft habe ich in diesem Leben noch die Gelegenheit für ein Schaumbad? Wie wichtig ist denn jetzt bitteschön diese alberne To-Do Liste?
Ich atme ganz tief durch, schlüpfe beherzt in mein Nachthemd und winke meinem Mann zu. „ House of cards statt Grace Anatomy. Oder lieber Fussball gucken? Du hast unverhofft frei mein Schatz. Komm nach sobald du magst!“ Zack, ab mit den Kindern ins große Familienbett, Lütti an die Brust angedockt und meine wundervolle große Tochter in den anderen Arm gekuschelt.
„Ich bin ja für euch da. Sehr gerne sogar. Und ich hatte heute auch viel zu wenig von Euch.“
Und während ich noch diese Worte flüstere und mich dabei herrlich von diesem anstrengenden Tag entspanne, sind alle beide schon eingeschlafen.